Weihnachtswunder am Fuße der Hohen Tatra

Weihnachten ist eine Zeit, in der immer wieder kleine oder größere Wunder passieren. Davon hat sich jeder schon einmal überzeugt. Mein persönliches Weihnachtswunder erlebte ich am Fuße des höchsten polnischen Gebirges, der Hohen Tatra.


Góral und Góralin

Einmal, vor ziemlich langer Zeit, so etwa vor 20 Jahren, war ich bei einer polnischen Familie zu Weihnachten eingeladen.

Maria und ihr Mann wohnten in einem kleinen Dorf in der Nähe von Zakopane in der Hohen Tatra und waren "echte" Góralen, also einheimische Gebirgler.

Maria, die Hausherrin schmiss den Haushalt und stellte aus der Milch ihrer eigenen Schafe den hiesigen Bergkäse Oscypek her. Ihr Mann Andrzej hatte eine Baufirma und baute tolle Holzhäuser im Zakopanestil.

Da eine Zugfahrt in ihr Dorf doch ziemlich umständlich war, beschloss ich mit dem Auto zu fahren.

War die Strecke von der deutschen Grenze bis Breslau noch super, setzte in Richtung Oberschlesien Regen ein, der später in dichten Schnee überging. Immer tiefer tauchte ich in das Winterweiß ein und die Sicht wurde immer schlechter. Auf dem Ring um Krakau kam auch noch ein Stau hinzu. Nachdem ich mich eine weitere Stunde durch das Stop and Go gequält hatte, bog ich endlich auf die legendäre Zakopianka.


Überraschung am Straßenrand

Es war schon ziemlich spät abends und der Verkehr zum Glück eher mäßig. 

Kilometer um Kilometer kam ich im weißen Schneetreiben voran, allerdings war das Tempo aufgrund der Straßenverhältnisse ziemlich langsam.

Plötzlich bewegte sich etwas Felliges am rechten Fahrbahnrand. Trotz leichter Panik versuchte ich so sanft wie möglich zu bremsen, um das Etwas nicht zu überfahren. Zum Glück ging alles gut und ich kam leicht schlitternd zum Stehen. Ich beschloss nachzuschauen und sah, dass es sich um einen kleinen Hund handelte, der sich ängstlich in den Schnee drückte. Weit und breit war kein Mensch, geschweige denn eine Ortschaft zu sehen. Ich konnte ihn einfach nicht hier an der Straße lassen. Trotz der nicht unberechtigten Befürchtung, dass er mich beißen könnte, versuchte ich den Hund anzulocken, aber kaum machte ich einen Schritt auf ihn zu, machte er zwei Schritte zurück. Erst meine Reiseverpflegung in Form eines Wurstbrötchens überzeugte ihn endlich und er kam auf mich zu. Ich hatte zwar keine Ahnung von Hunden, aber der hier sah aus, als würde er meine Hilfe brauchen. Zottelig zerzaust und ziemlich mager schlang er das Wurstbrötchen mit Blitzgeschwindigkeit herunter. Fieberhaft überlegte ich, was ich noch zu Essen dabei hatte und holte noch eine Packung Kabanossi. Ich nahm auch gleich noch eine Decke mit. Der Hund saß immer noch da und wartete. Besonders vorsichtig, um ihn ja nicht zu verschrecken, servierte ich ihm Stückchen der Wurst und versuchte ihn gleichzeitig zusammen mit der Decke hochzuheben. Es gelang besser als gedacht und ich platzierte ihn mit einer kleinen Bestechung in Form einer Kabanossi auf dem Beifahrersitz.


Glückliches Ende

Und weiter ging es mit meinem kleinen Freund an Bord. Obwohl es eiskalt war, öffnete ich etwas das Fenster, da er doch ziemlich streng roch. Kalle, so taufte ich meinen Begleiter erst einmal, kuschelte sich doch wahrhaftig in die Decke und schlief, so erschöpft war er. Erleichtert legte ich die restliche Strecke zurück. 

Maria und Andrzej, sie selber auch Hunde besaßen, hatten schon Wasser futter und ein Lager für Kalle vorbereitet. Am nächsten Tag, zum Glück hatten die Feiertage nicht begonnen, badeten wir Kalle und besuchten mit ihm den Tierarzt. Zu unserer Erleichterung war er soweit gesund, nur ein bisschen unterernährt und verwahrlost, aber nichts, was sich nicht beheben ließe.

Natürlich bekam Kalle auch noch das ganze notwendigen Hundezubehör, da ich es nicht übers Herz brachte, ihn nach diesem Erlebnis im Tierheim abzugeben. Kalle und ich verbrachten viele gemeinsame Jahre und teilten tolle Erlebnisse und ich bin immer dankbar für dieses unerwartete Weihnachtsgeschenk